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Prof. Michael Sattler
Helmholtz Munich I Michael Haggenmüller

Einblicke von Prof. Michael Sattler Personalisierte Therapien: Wie molekulare Mechanismen den Weg ebnen

Ein Interview mit Prof. Michael Sattler, Direktor des Molecular Targets and Therapeutics Centers von Helmholtz Munich, über die Bedeutung des Verständnisses von Krankheitsmechanismen auf molekularer Ebene und die Fortschritte in der personalisierten Medizin.

Ein Interview mit Prof. Michael Sattler, Direktor des Molecular Targets and Therapeutics Centers von Helmholtz Munich, über die Bedeutung des Verständnisses von Krankheitsmechanismen auf molekularer Ebene und die Fortschritte in der personalisierten Medizin.

“Das Verständnis der dreidimensionalen Struktur von molekularen Zielen ermöglicht es, kleine Molekülwirkstoffe zu entwickeln. Das ist vergleichbar mit der Herstellung eines Schlüssels, um eine Tür zu öffnen. Ohne ein Bild des Schlosses ist es sehr schwierig, den passenden Schlüssel zu entwickeln.”
Prof. Michael Sattler, Direktor des Molecular Targets and Therapeutics Centers

Wie verbessert ein tiefes Verständnis der molekularen Krankheitsmechanismen die Entwicklung personalisierter Therapien?

MS: Ein präzises Verständnis der molekularen Mechanismen, die einer Krankheit zugrunde liegen, eröffnet wichtige Möglichkeiten: Wir können neue Biomoleküle (Proteine, RNA) identifizieren, die bei Krankheiten durch genetische Mutationen verändert sind, und diese als molekulare Ziele für die Wirkstoffentdeckung nutzen. Dies ist wichtig für die Entwicklung neuer chemischer Wirkstoffe, aber auch für die Entwicklung therapeutischer Proteine oder Antikörper.

Das Verständnis der dreidimensionalen Struktur dieser molekularen Ziele ermöglicht es, kleine Molekülwirkstoffe zu entwickeln. Das ist vergleichbar mit der Herstellung eines Schlüssels, um eine Tür zu öffnen. Ohne ein Bild des Schlosses ist es sehr schwierig, den passenden Schlüssel zu entwickeln.

Je nach Zielmolekül und krankheitsbedingten Mutationen, die bei verschiedenen Personen unterschiedlich sein können, muss ein personalisierter Schlüssel entwickelt werden, um in das neue Schloss zu passen. Dies ist beispielsweise sehr relevant für die Krebstherapie, wo im Laufe der Zeit neue Krankheitsmutationen bei Patienten auftreten.

“Die Wirkstoffentdeckung wird durch künstliche Intelligenz und Deep-Learning-Ansätze revolutioniert, was die Entdeckung kleiner Molekülwirkstoffe, aber auch das Design und die Optimierung von therapeutischen Proteinen erheblich beschleunigt.”
Prof. Michael Sattler

Was sind die größten Herausforderungen bei der Entwicklung von Wirkstoffen, die auf einzelne Patienten zugeschnitten sind?

MS: Eine große Herausforderung ist die Tatsache, dass die meisten der derzeit verfügbaren Wirkstoffe nur einen kleinen Bruchteil der in unserem Genom kodierten Proteine ansprechen, und die Möglichkeiten, neue Proteinziele zu finden, weitgehend erschöpft sind. Daher müssen wir völlig neue Wirkstoffziele identifizieren, d.h. neue mögliche Schlösser entdecken, für die wir Schlüssel maßschneidern können.

Eine weitere Herausforderung stellen die Resistenzmutationen dar, die bei Krebspatienten während der Therapie häufig auftreten und zum Rückfall der Krankheit führen. Hier ist eine effiziente und schnelle Entwicklung und Optimierung eines Wirkstoffs erforderlich, um einen vorhandenen Schlüssel (Wirkstoff) an ein modifiziertes Schloss (Zielmolekül mit neuer Mutation) anzupassen.

Es gibt viele vererbte genetische Krankheiten, für die keine effiziente Therapie verfügbar ist. Neue Konzepte zur Entwicklung therapeutischer Ansätze sind daher wichtig. Ein jüngst beeindruckendes Beispiel ist die Zulassung eines oral verfügbaren kleinen Molekülwirkstoffs zur Behandlung der Spinalen Muskelatrophie. SMA ist ein schwerwiegender genetischer Defekt, für den bis vor kurzem keine Therapie verfügbar war, bis ein innovatives therapeutisches Konzept durch Modulation des RNA-Spleißens entwickelt wurde.

Dieses Video zeigt  eine Animation der DNA-Kette und der chemischen Hexagon-Bindungen

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Was ist RNA-Spleißen?

RNA-Spleißen ist ein entscheidender Prozess in der biomedizinischen Forschung. In diesem Prozess  wird die prä-mRNA (Vorläufer-messenger-RNA) verändert: Nicht-kodierende Regionen, sogenannte Introns, werden entfernt und kodierende Regionen, sogenannte Exons, werden zusammengefügt.
Dieser Bearbeitungsprozess ist essenziell für die Erstellung reifer mRNA, die dann in Proteine übersetzt werden kann.

Wie wird sich Ihrer Ansicht nach die personalisierte Medizin in den nächsten zehn Jahren entwickeln?

MS: Es gibt viele Möglichkeiten, innovative therapeutische Ansätze für die personalisierte Medizin zu entwickeln, die auf einem präzisen Verständnis molekularer Mechanismen basieren:

Nicht-kodierende RNAs, die von etwa 90% unseres Genoms transkribiert werden (während nur 1,5% unseres Genoms Proteine kodiert), sind häufig mit menschlichen Krankheiten, einschließlich Krebs, verbunden und bieten einzigartige Möglichkeiten als Zielmoleküle. Ebenso ermöglicht ein detailliertes Verständnis der Regulation von RNA Spleißmechanismen, die Entdeckung neuer Wirkstoffe, die Spleißen modulieren.

Dynamische Zustände oder intrinsisch ungeordnete Regionen in Biomolekülen (Proteine, RNAs) bieten spannende neue Möglichkeiten zur Entwicklung neuartiger therapeutischer Konzepte.

Die Wirkstoffentdeckung wird durch künstliche Intelligenz und Deep-Learning-Ansätze revolutioniert, was die Entdeckung kleiner Molekülwirkstoffe, aber auch das Design und die Optimierung von therapeutischen Proteinen erheblich beschleunigt. Optimiertes In-silico-Design von Medikamenten wird helfen, die beste Krebsbehandlung in Abhängigkeit von den Krebsmutationen einer Person vorherzusagen.

Strukturbiologie und KI beschleunigen erheblich die Entwicklung von Gentherapien durch maßgeschneiderte optimierte Proteine für die personalisierte Genom-Editierung.

Dies sind aber nur einige Beispiele für therapeutische Ansätze und Modalitäten, die die Entwicklung personalisierter Medizin erheblich voranbringen werden.

Welche Auswirkungen hat Spleißen?

Forschende haben ein neues Projekt gestartet, um zu untersuchen, wie die Mechanismen mit molekularer Präzision gesteuert werden können. Dies hat das Potenzial, die biomedizinische Forschung zu revolutionieren und letztendlich Krankheiten zu behandeln.

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Letztes Update: Juni 2024

Mehr über Prof. Michael Sattler

Michael Sattler studierte Chemie und entwickelte während seiner Promotion an der Universität Frankfurt neuartige Methoden der Kernspinresonanz (NMR)-Spektroskopie zur Untersuchung biologischer Makromoleküle. Als Postdoktorand bei Steve Fesik (Abbott Labs) setzte er modernste NMR-Verfahren ein, um wegweisende Strukturen von Proteinen der Bcl-Familie zu lösen, die an der Regulation des programmierten Zelltodes (Apoptose) beteiligt sind und wichtige Ziele für Krebstherapien sind. Mit seiner eigenen Forschungsgruppe, die er 1997 am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg gründete, leistete er Pionierarbeit auf dem Gebiet der Strukturbiologie von Proteinen und RNA Wechselwirkungen, die bei der eukaryotischen Genregulation eine entscheidende Rolle spielen, wie zum Beispiel das alternative pre-mRNA-Spleißen in Zusammenarbeit mit Juan Valcarcel (jetzt am CRG Barcelona), sowie die molekulare Mechanismen nicht-kodierender RNAs.

Sein Labor bei Helmholtz Munich und der Technischen Universität München untersucht seit 2007 die Struktur und Funktion wichtiger Aspekte bei der Assemblierung und Biogenese des Spleißosoms und dessen Regulation. Diese Studien ermöglichten einzigartige Einblicke in die Erkennung der RNA an der 3'-Spleißstelle menschlicher Introns durch die essentiellen Spleißfaktoren SF1 (Science 2001) und U2AF (Nature 2011) und zeigten auf, wie die dynamische Erkennung das Spleißen reguliert. Sein Labor entschlüsselte die strukturelle Grundlage der Erkennung von Arginin-Methylierungsmarkierungen durch die Tudor-Domäne des Survival of Motor Neurons (SMN) Proteins, das bei Mutationen zur spinalen Muskelatrophie führt.

Michael entwickelte effiziente Protokolle für die integrative Strukturbiologie in Lösung durch die Kombination von NMR, Kleinwinkelstreuung, Kristallographie und Kryo-Elekronenmikroskopie und half bei der Einrichtung von modersten Infrastrukturen und Technologien für die Strukturbiologie (1,2 GHz NMR, www.bnmrz.org und Kryo-EM).

Aktuelle Forschungsarbeiten konzentrieren sich auf die Struktur und Dynamik von (langen) nicht-kodierenden RNAs (lncRNAs), die bei menschlichen Krankheiten eine Rolle spielen, auf ihre Regulierung durch posttranskriptionelle Modifikationen (z. B. m6A) und RNA-bindende Proteine sowie auf die strukturelle Dynamik in biologischen und krankheitsbedingten zellulären Signalwegen, die durch das molekulare Chaperon Hsp90 reguliert werden und die zur Biogenese von Peroxisomen beitragen.

Die Einsicht in die strukturellen Mechanismen von Krankheitswegen bildet die Grundlage für die innovative Struktur-basierte Wirkstoffentwicklung, um neuer therapeutische Ansätze für menschliche Krankheiten zu entwickeln, wie Krebs, genetische Störungen und (seltene) Infektionskrankheiten.