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Wheat field
Tim Mueller-Zitzke TIMDAVIDCOLLECTION - stock.adobe.com

Pflanzen-Genome Grundnahrungsmittel mit Grund zur Sorge

Wie Forschende von Helmholtz Munich Weizen, Hafer, Gerste und Co. fit für die Zukunft machen.

Wie Forschende von Helmholtz Munich Weizen, Hafer, Gerste und Co. fit für die Zukunft machen.

Wir Menschen wären möglicherweise Nomaden geblieben, hätten wir nicht Weizen, Hafer, Gerste und andere Getreidesorten für uns entdeckt. Vor etwa 10.000 Jahren legten der Getreideanbau und die Nutztierhaltung den Grundstein für das sesshafte Leben. Bis heute sichert der Getreideanbau die Ernährung vieler Menschen weltweit. Doch nach 10.000 Jahren befinden sich diese wichtigen Lebensmittel selbst im Überlebensmodus: Klimawandel, Schädlinge und Krankheiten bedrohen die globale Ernährungssicherheit.

Damit die Ära der Ähren nicht der Vergangenheit angehört, haben sich Wissenschaftler:innen der Forschungsgruppe Pflanzengenome und Systembiologie von Helmholtz Munich genauer mit Getreide befasst. Beispiel Weizen: Um die stetig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren, müssten wir eigentlich viel mehr Weizen produzieren – bei gleichbleibender oder sogar reduzierter Anbaufläche und unter den schwierigen Bedingungen des Klimawandels. Um das Grundnahrungsmittel Weizen zukunftssicher zu machen, untersuchten die Forschenden zunächst sein Genom. Denn nur, wenn Züchter:innen genau wissen, welche Gene für welche Eigenschaften des Weizens verantwortlich sind, können sie resistentere und ertragsstärkere Sorten entwickeln.

 

Das Weizengenom: Weitaus komplexer als das menschliche

Unter der Leitung von Klaus F.X. Mayer nahmen sich die Forschenden bei Helmholtz Munich gemeinsam mit dem 10+ Wheat Genomes Project,einer wissenschaftlichen Herkulesaufgabe an: der Entschlüsselung und Sequenzierung des Genoms von 15 Weizensorten aus den wichtigsten globalen Züchtungsprogrammen. Die Herausforderung dabei: Im Vergleich zum Weizengenom ist das menschliche Genom übersichtlich. Zwar hat Weizen weniger Chromosomenpaare als der Mensch, doch diese sind viel größer und in dreifacher Ausführung vorhanden. Zudem ist die Anzahl der Gene erheblich größer: Während der Mensch etwa 20.000 Gene hat, verfügt Weizen über bis zu 125.000 Gene. Darüber hinaus sind diese Gene in langen, sich wiederholenden und verschachtelten Elementen angeordnet.

 

Die Entschlüsselung des Weizen-Genoms war ein Puzzlespiel der besonderen Art, das dem internationalen Weizen-Sequenzierkonsortium (IWGSC) erst 2018 gelang – wobei Helmholtz Munich mit seiner jahrzehntelangen Expertise einen wesentlichen Beitrag leistete. Die Forschenden um Klaus Mayer konzentrierten sich im Wesentlichen auf die Extraktion und funktionelle Analyse aller Gene sowie auf die Zusammensetzung und Dynamiken des gesamten Genoms und seiner Subgenome. Ein besonderes Augenmerk legte die Forschungsgruppe auf die sogenannte Polyploidie, also das Vorhandensein mehrerer (Sub-)Genome und die Unterschiede sowie die teilweise Dominanz eines Subgenoms gegenüber den anderen.

Sowohl die Forschung als auch die Züchtung profitieren von diesem neuen Wissen über die Wechselwirkungen im Genom. Nun können Weizensorten identifiziert und gezüchtet werden, die gegen Hitze, Dürre und Schädlinge resistent sind, hohe Erträge liefern und möglichst keine Allergien auslösen oder Stoffwechselkrankheiten wie Zöliakie begünstigen.

Trendgetreide Hafer

Hafer als Lebensmittel für den Menschen war ursprünglich ein Zufallsprodukt. Er wurde erst vor etwa 3.000 Jahren zwischen Weizen, Emmer und Gerste in Anatolien entdeckt. Seitdem hat er eine steile Karriere hingelegt, denn seine Vorteile sind unbestritten: Er ist eine Quelle vieler gesunder Inhaltsstoffe, lässt sich nachhaltiger anbauen und benötigt weniger Dünger und Pestizide als andere Getreidesorten. Doch auch hier gilt: Erst die vollständige Entschlüsselung des Genoms hat ihn zum Superstar unter den Getreiden gemacht.

Im Jahr 2022 gelang Nadia Kamal, Manuel Spannagl und Klaus Mayer die vollständige Sequenzierung des Hafergenoms. Das Genom des Hafers ist mehr als dreimal so groß wie das des Menschen und setzt sich aus den Genomen von drei Vorfahren zusammen, was die Genomarchitektur noch komplexer macht.

Mehr über diesen Durchbruch erfahren

„Nachdem das Erbgut des Hafers entschlüsselt wurde, können wir endlich gezielt züchten, da nun spezielle Marker für bestimmte Eigenschaften des Hafers entwickelt werden können. Jetzt können wir die große genetische Vielfalt des Hafers charakterisieren und nutzen.“

Prof. Manuel Spannagl

Das geschieht insbesondere im Rahmen von sogenannten „Pan-Genom-Projekten“, bei denen das Erbgut einer Vielzahl von verschiedenen Hafersorten entschlüsselt und miteinander verglichen wird. Diese Art der Analyse ermöglicht es, spezifische Gene, wie etwa solche für Resistenz gegenüber Schädlingen, zu identifizieren, um sie später gezielt in Kultursorten einzukreuzen.

Als nächsten Schritt erforscht Nadia Kamal die molekularen Grundlagen der Stressresistenz gegen Dürre bei Hafer. Für ihr Projekt RESIST hat sie eine Förderung des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten. Hafer ist leider anfällig für Dürrestress; unterschiedliche Niederschlagsmengen während der Wachstumsphase führen zu schlechteren Ernten. Ihr Ziel ist die Entwicklung besserer Hafersorten, die auch unter Dürrebedingungen gedeihen können.

 

„Aufgrund des Klimawandels werden Dürreperioden auch in Deutschland häufiger und länger. Dies stellt eine erhebliche Bedrohung für den Haferanbau weltweit dar und gefährdet damit die globale Ernährungssicherheit. Unser Ziel ist es daher, genetische Schlüsselfaktoren für die Dürreresistenz bei Hafer zu identifizieren, um resistente Sorten züchten zu können.“

Prof. Nadia Kamal (vormals Helmholtz Munich)

Hopfen: Genuss- und Heilmittel mit Anpassungsschwierigkeiten

Ein weiteres Pflanzengenom, das die Forschungsgruppe analysieren möchte, ist das des Hopfens – keine Getreideart, sondern eine Kletterstaude aus der Familie der Hanfgewächse. Es mag dem Standort nahe des Hopfenanbaugebiets Hallertau geschuldet sein, dass die Wissenschaftler:innen hier eine weitere Förderung erhalten konnten: Die Bayerische Forschungsstiftung unterstützt das Projekt PANHOP, das dem ikonischen Gewächs eine Zukunft sowohl in der Bier- als auch in der Heilmittelproduktion sichern soll. Denn auch der Hopfen leidet unter den Folgen des Klimawandels, einschließlich Hitze und Schädlingsbefall. Auch hier möchten die Pflanzengenomiker:innen von Helmholtz Munich ihre Expertise einbringen, um den Züchtern stabile, aromatische und resistente Sorten zu ermöglichen.

Den Herausforderungen des Klimawandels begegnen, mit gesünderen und resistenteren Nahrungsmitteln – wie viele leistet die Forschungsgruppe für Pflanzengenome und Systembiologie einen bedeutenden Beitrag. Damit wir Menschen das bewahren können, womit wir vor 10.000 Jahren begonnen haben: sesshaft sein, gut ernährt und gesund.

Mehr über diese Forschungsgruppe erfahren: Pflanzengenome und Systembiologie

Welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf unsere wichtigsten Getreidekulturen?

Dr. Manuel Spannagl gibt in diesem Video Antworten.

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Klaus Mayer

Prof. Dr. Klaus F.X. Mayer

Group Leader
Manuel Spannagl

Prof. Dr. Manuel Spannagl

Deputy Group Leader

Letztes Update: Juli 2024.